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Sommerurlaub Warum sechs Wochen Ferien für Lehrer fair sind

30 Urlaubstage am Stück, davon können die meisten Angestellten nur träumen. Für Lehrer wird dieser Traum jeden Sommer wahr. Arne Ulbricht ist sich dieses Privilegs bewusst, findet aber auch: Das ist angemessen so.
Foto: Patrick Pleul/ dpa

"Doofe Sprüche hört man als Lehrer ständig. Aber an einen erinnere ich mich besonders gut, weil er mir vor einigen Jahren während einer Jugendherbergsfamilienfreizeit noch während der Vorstellungsrunde entgegengeschleudert wurde:

"Du bist Lehrer? Na toll. Wenn ich wieder arbeiten muss, dann hast du noch vier Wochen Ferien!"

Ich stockte und dachte: So ein Scheiß... wie soll ich denn nun reagieren?

Zum Autor
Foto: Daniel Schmitt

Arne Ulbricht, Jahrgang 1972, unterrichtet an einer Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen Französisch und Geschichte. Der Lehrer ist Autor mehrerer Bücher. Soeben ist sein Erzählband "Vatertag!" erschienen. Hier geht es zu seiner Website .

Zunächst unterdrückte ich den Impuls, mich zu rechtfertigen. Ich hätte von meinem Kollegen erzählen können, der für knapp 40 Prüfungen ein Dutzend Themen hatte stellen und die Prüfungen auch alle abnehmen müssen. Oder davon, dass Anfang des Schuljahres ein Schüler in meiner Klasse einen tödlichen Verkehrsunfall gehabt hatte und ich deshalb nicht nur als Lehrer, sondern auch durchgehend als Seelsorger gefragt war.

Im Lehrerberuf passiert ständig Unvorhersehbares. Allein die Erkrankung eines Kollegen kann dazu führen, dass man einen Kurs übernehmen muss und sich die wöchentliche Arbeitszeit von einem Tag auf den anderen erheblich verlängert.

Aber hätte ich dergleichen erzählt, hätte es nicht nur wie eine Rechtfertigung geklungen, es wäre auch als Beleidigtes-Leberwurst-Verhalten rübergekommen mit dem Subtext: Die Sommerferien reichen in meinem megaharten Stressberuf nicht mal, um die tausend Überstunden abzubummeln, also lass mich in Ruhe!

Für die einen ist es der Jahresurlaub, für uns sind es die Sommerferien

Dann fragte ich mich: Sind die Sommerferien nicht wirklich ungewöhnlich lang? Und war ich nicht deshalb ohne meine Frau in der Jugendherberge, weil sie nur 30 Urlaubstage im Jahr hat? Ihr Jahresurlaub entspricht exakt der Länge unserer Sommerferien.

Noch ein anderer Vater der Runde war allein mit seinen Kindern unterwegs. Er habe die ersten drei Wochen der Sommerferien Urlaub genommen, seine Frau die zweiten drei Wochen, sagte er. Das fand und finde ich: krass! Von solchen Betreuungsdramen werden Lehrer mit schulpflichtigen Kindern verschont.

Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr verstand ich den zornigen Neidanfall meines Gegenübers. Der Vater guckte mich noch immer grimmig an. Er wartete auf eine Reaktion. Also antwortete ich: "Weißt du, die Sommerferien sind der Wahnsinn. Sie sind unser Bonus, denn Bonuszahlungen für gute Arbeit bekommen wir ja nicht. Ich freue mich jedes Jahr wieder auf diese sechs Wochen, und ich genieße sie in vollen Zügen."

Nachdem ich das gesagt hatte, lachte er und sagte: "Wow. Endlich mal einer, der dazu steht. Kann halt nicht jeder Lehrer sein."

Genau! Aber ich bin es. Und ich lasse mir durch nichts und niemanden meine Sommerferien vermiesen. Und das empfehle ich auch meinen vielen Tausend Kolleginnen und Kollegen. In diesem Sinne wünsche ich uns: Schöne, lange Ferien!"