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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Dringender Änderungsbedarf: Lesbische Herkunftsfamilien im Adoptionshilfegesetz

Schreiben an die Mitglieder im Familien- und im Rechtsauschuss des Bundestags

Zwei-Mütter-Familien erfahren bereits aktuell eine erhebliche Diskriminierung durch den Zwang zur Durchführung eines förmlichen Adoptionsverfahrens als einziger rechtlicher Möglichkeit zur Erlangung der gemeinsamen Elternschaft; diese Diskriminierung wird durch das geplante Gesetz weiter massiv verschärft.

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei Adoption (Adoptionshilfegesetz) BT-Drucksache 19/16718

Hier: Lesbische Herkunftsfamilien

Berlin, den 06. April 2020

DRINGENDER ÄNDERUNGSBEDARF IM GESETZGEBUNGSVERFAHREN

Sehr geehrte Abgeordnete,

das Gesetz zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei Adoption (Adoptionshilfegesetz) sieht in § 9a Adoptionsvermittlungsgesetz vor, dass für lesbische Zwei-Mütter-Familien bei der Adoption des in die Ehe hineingeborenen Kindes ab dem 01.07.2020 vor Beginn des Adoptionsverfahrens eine obligatorische Beratung der beiden Mütter und ggf. des Samenspenders durchzuführen ist. Der Nachweis dieser Beratung soll zwingende Antragvoraussetzung für die Adoption sein.

Zwei-Mütter-Familien erfahren bereits aktuell eine erhebliche Diskriminierung durch den Zwang zur Durchführung eines förmlichen Adoptionsverfahrens als einziger rechtlicher Möglichkeit zur Erlangung der gemeinsamen Elternschaft; diese Diskriminierung wird durch das geplante Gesetz weiter massiv verschärft.

Das sog. Stiefkindadoptionsverfahren ist völlig ungeeignet für Kinder, die in die Ehe ihrer beiden Mütter hineingeboren werden. Das Kind lebt in diesen Konstellationen bereits seit der Geburt in der Familie der beiden Mütter und verbleibt dort auch unabhängig von der Beratung und unabhängig vom Ausgang des Adoptionsverfahrens. Dies wurde bei der Anhörung vor dem Familienausschuss des Deutschen Bundestages am 02.03.2020 auch von keinem der dort anwesenden Sachverständigen bestritten.

Bei den lesbischen Herkunftsfamilien ist daher nicht nur die Beratungspflicht nach § 9a AdVermiG diskriminierend und überflüssig, sondern auch das Erfordernis einer fachlichen Äußerung nach § 189 FamFG.

Die weitere Diskriminierung lesbischer Herkunftsfamilien kann verhindert werden, indem diese Konstellation mit der folgenden Ergänzung des § 9a aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen wird und auf die fachliche Äußerung nach § 189 FamFG verzichtet wird:

Die Vorschrift „§ 9a AdVermiG - Verpflichtende Beratung bei Stiefkindadoption“ müsste dafür um den nachstehenden Absatz 4 ergänzt werden:

  1. Nimmt ein Ehegatte ein Kind seines Ehegatten allein an, so müssen sich vor Abgabe ihrer notwendigen Erklärungen und Anträge zur Adoption von der Adoptionsvermittlungsstelle (§ 2 Absatz 1 und 3) nach § 9 Absatz 1 beraten lassen: 1. der abgebende Elternteil, 2. der annehmende Elternteil, 3. der Ehegatte des annehmenden Elternteils und 4. das Kind gemäß § 8 des Achten Buches Sozialgesetzbuch.
  2. Die Adoptionsvermittlungsstelle hat über die Beratung eine Bescheinigung auszustellen.
  3. Die Beratung eines Elternteils ist nicht erforderlich, wenn 1. er zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande ist, 2. sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist, 3. seine Einwilligung nach § 1748 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ersetzt wird oder 4. es sich um den abgebenden Elternteil handelt und dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat.
  4. Die Beratungspflicht nach Abs. 1 besteht nicht, wenn die Ehe bei Geburt des Kindes bereits bestand. Damit entfällt auch das Erfordernis einer fachlichen Äußerung nach § 189 Satz 1 FamFG.
  5. In den Fällen des § 1766a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.

Eine solche Ergänzung ist auch deshalb dringend geboten, weil die Reform des Abstammungsrechts, welche für die geschilderte Problematik grundsätzlich Abhilfe schaffen könnte, leider weiter auf sich warten lässt.

Die Dringlichkeit einer rechtlichen Verbesserung der Situation von Zwei-Mütter-Familien kommt auch zum Ausdruck durch die enorme Unterstützung, welche die Online-Petition des LSVD zur Reform des Abstammungsrechts aktuell findet; innerhalb von neun Wochen haben mehr als 47.000 Personen die Petition unterstützt.

Wir möchten Sie ganz herzlich bitten, sich dafür einzusetzen, dass unser oben aufgezeigter Vorschlag zur Ergänzung des § 9a AdVermiG umgesetzt wird. Sie leisten damit unzähligen Regenbogenfamilien einen großen Dienst und verhindern eine dramatische Verschärfung der Ungleichbehandlung lesbischer Paare und ihrer Kinder.

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriela Lünsmann
Bundesvorstand des LSVD
Rechtsanwältin / Fachanwältin für Familienrecht